Unsere Wurzeln

Vom Obstbau in kalten Gegenden

Vor dem Hintergrund großer Hungersnöte im 19. Jahrhundert wurde ausgehend von staatlichen Initiativen 1885 für das Gebiet des damaligen Bezirksamtes Wunsiedel der „Bezirksobstbauverein Wunsiedel“ gegründet, dem Gemeinden und einzelne Privatpersonen angehörten.

In den Jahren darauf gründeten sich in einzelnen Ortschaften Obst- und Gartenbauvereine, woraufhin sich 1910, also genau 25 Jahre später, der Bezirksobstbauverein in den „Bezirksobstbauverband Wunsiedel“ umbenannte, ein Dachverband mit damals 16 Vereinen als Mitglieder. Das Ziel war die Förderung des Obstbaus, der auch in den kälteren Regionen Bayerns zur Sicherung der Ernährung der Bevölkerung beitragen sollte. Es bestand von Anfang an eine enge Bindung des Obstbauverbands an das Bezirksamt (später Landratsamt) und an die Gemeinden mit ihren Bürgermeistern.

Seit 125 Jahren wurde im Kreisverband Wunsiedel traditionell immer der Landrat (damals „Bezirksamtmann“) zum Vorsitzenden gewählt. Diesem stand für fachliche Themen bis heute als treibende Kraft jeweils der am Landratsamt angestellte, sogenannte Bezirksbaumwart - der heutige Kreisfachberater - zur Seite.

1933, nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, erfolgte eine Eingliederung des Bezirksobstbauverbands in den Reichsnährstand. Da parallel keine freie Gartenbauorganisation mehr gehalten werden konnte, wurde 1937 der Bezirksverband aufgelöst und nach Hof eingegliedert. Schon zuvor waren etliche Gartenbauvereine aufgelöst worden, da zeitweise kein Bezirksbaumwart als treibender Motor mehr vorhanden war. 1938 jedoch erfolgte wieder die Einstellung eines Bezirksfachberaters im Bezirksamt Wunsiedel. Die Aufgaben lauteten von nun an nicht mehr nur Förderung des Obstbaus, sondern des gesamten Gartenbaus, der Dorfkultur und der Landespflege.


Neues Erwachen nach dem Zweiten Weltkrieg

Aufgrund der schlechten Ernährungslage erlangte die Förderung des Obst- und Gartenbaus während und nach dem Zweiten Weltkrieg wieder große Bedeutung.
Viele zwischenzeitlich erloschene Gartenbauvereine erwachten zu neuem Leben, nachdem  auch der Bayerische Landesverband durch Pfarrer Korbinian Aigner wieder gegründet wurde. 1948 erfolgte die Wiedergründung des „Kreisverbands für Gartenbau und Landespflege Wunsiedel“ mit 13 Mitgliedsvereinen.

In den Fünfziger Jahren kam durch den wirtschaftlichen Aufschwung zur Selbstversorgung mit Gemüse und Obst auch das Thema der Ortsverschönerung zu den Hauptaufgaben der Gartenbauvereine.

Im Jahr 1959 wurde das erste Mal der Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“, vom Landkreis durchgeführt, die Hauptorganisation in den Ortschaften übernahmen hier - damals wie auch heute noch - die Obst- und Gartenbauvereine.

In den Sechziger und Siebziger Jahren wurde der Garten immer mehr als Freizeitraum verstanden, demnach prägte der pflegeleichte Ziergarten immer mehr das Informationsangebot des Kreisfachberaters.

1972 erfolgte die Erweiterung des Kreisverbands durch das Hinzukommen des südlichen Landkreises Rehau in den Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge.
Hiermit fiel unter anderem einer der ältesten Gartenbauvereine in Bayern, der Obst- und Gartenbauverein Hohenberg 1878 e.V., zum Kreisverband Wunsiedel.


Blumenschmuck und Dorfökologie

Anfang der Achtziger Jahre wurden erstmals Blumenschmuckwettbewerbe auf Orts- und Kreisebene durchgeführt, rauschende Blumenbälle dienten als Abschlussfeier.

Mitte der Achtziger Jahre rückten unter Anderem durch das Waldsterben ökologische Themen immer mehr in den Vordergrund.
1983 fand in Wunsiedel der erste Staudentausch statt, viele weitere in anderen Vereinen folgten.

Die Neunziger Jahre waren geprägt von mehreren Landesgartenschauen auf oberfränkischem Boden, bei denen der Kreisverband Wunsiedel jeweils wochenweise einen Informationsstand des Bezirksverbands mit Schaugarten betreute. Hier waren auch interessante gartenbauliche Ausstellungen und Beratungen inbegriffen.

1994 fand im Landkreis erstmalig der Tag der offenen Gartentür statt. Dieser ist seit 2000 eine feste landesweite Veranstaltung mit Tausenden von Besuchern in den einzelnen Landkreisen. Auch diese Bewegung nahm ihren Anfang in den Landkreisen Kulmbach und Wunsiedel.

Ende der Neunziger Jahre wurde auch die Jugendarbeit als ein wichtiger Bestandteil der Aufgaben festgelegt. So folgten schnell die ersten Gründungen von Jugendgruppen.      Auch der Aufbau und die Pflege von Partnerschaften mit tschechischen Gartenfreunden wurde nun verstärkt betrieben


Die Gartenbauvereine im neuen Jahrtausend

Ein Höhepunkt in der Geschichte des Kreisverbands war sicher die grenzüberschreitende Gartenschau Marktredwitz-Cheb 2006, bei der der Kreisverband einen eigenen Schaugarten anlegte und engagiert betreute.

Auch die Bedeutung des Obstbaus erlangte nach und nach wieder größere Bedeutung, was vor allem den Bestrebungen des Kreisfachberaters a.D. Christian Kreipe zu verdanken ist. Er ließ ab 1993 die traditionellen Obstausstellungen und Sortenbestimmungen wieder aufleben und rettete somit ein im Landkreis fast gänzlich vergessenes Wissen.
In den letzten Jahren stößt die Versorgung mit Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten wieder auf neues Interesse. Auch die Hinführung der Jugend an die Natur und den Gartenbau ist in Zeiten von Digitalisierung und einer zunehmenden Naturentfremdung in der Gesellschaft eines der wichtigsten Themen für den Kreisverband geworden. Ökologische Themen, wie das in den letzten Jahren beobachtete Insektensterben, nehmen auch die Gartenbauvereine in die Pflicht, Aufklärungsarbeit über die Wichtigkeit von naturnah gestalteten Gärten und Dorfmitten zu leisten.


Hintergrundinfo:

Namensänderungen:

1885: Bezirksobstbauverein

1910: Bezirksobstbauverband

1939: Kreisverband für Obst- und Gartenbau und Landespflege Wunsiedel

1972: Kreisverband für Obst- und Gartenbau und Landespflege Wunsiedel i. Fichtelgebirge

2019: Kreisverband für Gartenkultur und Landespflege Fichtelgebirge